Wolfgang von Kempelen: Unterschied zwischen den Versionen

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Spätestens ab 1769 stellte Kempelen erste Untersuchungen mit verschiedenen Musikinstrumenten an, um die menschliche Stimme bzw. ihre Produktion durch artifizielle Artikulationsprozesse möglichst naturgetreu nachzubilden. Als hierfür besonders prädestiniert erschienen ihm Doppelrohrblattinstrumente, aufgrund einer gewissen Analogie des Doppelrohrblatts zu den menschlichen Stimmlippen. In der Folgezeit ergänzte er seine mechanischen Beobachtungen durch eine gründliche autodidaktische Analyse menschlicher Sprache und Artikulationsvorgänge. Die Ergebnisse seiner Forschungen, bei denen er unter anderem auf Vorarbeiten von Albrecht von Haller, Denis Dordat und Christian Gottlieb Kratzenstein zurückgreifen konnte, publizierte er 1791 in seiner Schrift ''Wolfgangs von Kempelen k. k. wirklichen Hofraths Mechanismus der menschlichen Sprache nebst der Beschreibung seiner sprechenden Maschine''.
Spätestens ab 1769 stellte Kempelen erste Untersuchungen mit verschiedenen Musikinstrumenten an, um die menschliche Stimme bzw. ihre Produktion durch artifizielle Artikulationsprozesse möglichst naturgetreu nachzubilden. Als hierfür besonders prädestiniert erschienen ihm Doppelrohrblattinstrumente, aufgrund einer gewissen Analogie des Doppelrohrblatts zu den menschlichen Stimmlippen. In der Folgezeit ergänzte er seine mechanischen Beobachtungen durch eine gründliche autodidaktische Analyse menschlicher Sprache und Artikulationsvorgänge. Die Ergebnisse seiner Forschungen, bei denen er unter anderem auf Vorarbeiten von Albrecht von Haller, Denis Dordat und Christian Gottlieb Kratzenstein zurückgreifen konnte, publizierte er 1791 in seiner Schrift ''Wolfgangs von Kempelen k. k. wirklichen Hofraths Mechanismus der menschlichen Sprache nebst der Beschreibung seiner sprechenden Maschine''.


Während Christian Gottlieb Kratzenstein|Kratzenstein 1773 fünf mit speziellen Resonatoren versehene durchschlagende Zungenpfeifen vorstellte, mit denen jeweils nur ein bestimmter Monophthong (nämlich A, E, i, O, U) hervorgebracht werden konnte, erlangte Kempelen die Einsicht, dass natürlich klingende Sprache mit solchen Mitteln nicht hervorgebracht werden kann, weil die Artikulation eines jeden Sprachlauts fast immer von den ihn umgebenden Sprachlauten beeinflusst wird (Koartikulation). Findet dieses Phänomen bei einer Sprachsynthese keine Berücksichtigung, beeinträchtigt dies sowohl ihre Verständlichkeit wie auch die Authentizität der Synthese sehr stark. Daher konstruierte Kempelen seine Sprechmaschine weitgehend in Anlehnung an den menschlichen Sprechapparat. Die durch die manuelle Bedienung zwangsläufig hervorgerufene Trägheit und Variation in der Artikulation verstärkt diesen Effekt noch. Die wissenschaftliche Untersuchung der Koartikulation ist erst im 20. Jahrhundert wieder aufgegriffen worden.
Während Christian Gottlieb Kratzenstein 1773 fünf mit speziellen Resonatoren versehene durchschlagende Zungenpfeifen vorstellte, mit denen jeweils nur ein bestimmter Monophthong (nämlich A, E, i, O, U) hervorgebracht werden konnte, erlangte Kempelen die Einsicht, dass natürlich klingende Sprache mit solchen Mitteln nicht hervorgebracht werden kann, weil die Artikulation eines jeden Sprachlauts fast immer von den ihn umgebenden Sprachlauten beeinflusst wird (Koartikulation). Findet dieses Phänomen bei einer Sprachsynthese keine Berücksichtigung, beeinträchtigt dies sowohl ihre Verständlichkeit wie auch die Authentizität der Synthese sehr stark. Daher konstruierte Kempelen seine Sprechmaschine weitgehend in Anlehnung an den menschlichen Sprechapparat. Die durch die manuelle Bedienung zwangsläufig hervorgerufene Trägheit und Variation in der Artikulation verstärkt diesen Effekt noch. Die wissenschaftliche Untersuchung der Koartikulation ist erst im 20. Jahrhundert wieder aufgegriffen worden.


Die Funktionsweise der Sprechmaschine (je nach Quelle auch: ''Sprachmaschine'' oder ''sprechende Maschine'') basierte auf dem Konzept einer möglichst naturgetreuen Nachbildung der menschlichen Sprechorgane. Dabei wird die Lunge durch einen Blasebalg, die Funktion der Stimmbänder durch ein aufschlagendes Rohrblatt aus Elfenbein<ref>''Wolfgangs von Kempelen k. k. wirklichen Hofraths Mechanismus der menschlichen Sprache nebst der Beschreibung seiner sprechenden Maschine''. Wien, 1791.
Die Funktionsweise der Sprechmaschine (je nach Quelle auch: ''Sprachmaschine'' oder ''sprechende Maschine'') basierte auf dem Konzept einer möglichst naturgetreuen Nachbildung der menschlichen Sprechorgane. Dabei wird die Lunge durch einen Blasebalg, die Funktion der Stimmbänder durch ein aufschlagendes Rohrblatt aus Elfenbein<ref>''Wolfgangs von Kempelen k. k. wirklichen Hofraths Mechanismus der menschlichen Sprache nebst der Beschreibung seiner sprechenden Maschine''. Wien, 1791.
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[http://digital.slub-dresden.de/ppn325235570]</ref>
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Einfachrohrblatt einer Sackpfeife oder eines Dudelsacks wurde für erste Versuche verwendet<ref>Seite 392,394,
Einfachrohrblatt einer Sackpfeife oder eines Dudelsacks wurde für erste Versuche verwendet<ref>Seite 392,394,
Einfachrohrblatt einer Sackpfeife oder eines Dudelsacks wurde für erste Versuche verwendet.[http://digital.slub-dresden.de/ppn325235570]</ref>, die Nase durch einen Nasaltrakt mit zwei Nasenöffnungen und der Mund durch einen Gummitrichter simuliert. Dieser Gummitrichter ist jedoch vollkommen leer, weist also keine Repräsentationen für Zunge, Zähne, Lippen oder weichen Gaumen auf. Durch Veränderung der Abdeckung des Gummitrichters mit der Hand lassen sich sowohl einige unterschiedliche Vokale als auch gewisse [[Konsonant]]en erzeugen. Die Nasenrohre werden stets mit den Fingern verschlossen, außer wenn Nasale oder Nasalvokale hervorgebracht werden sollen.
Einfachrohrblatt einer Sackpfeife oder eines Dudelsacks wurde für erste Versuche verwendet.[http://digital.slub-dresden.de/ppn325235570]</ref>, die Nase durch einen Nasaltrakt mit zwei Nasenöffnungen und der Mund durch einen Gummitrichter simuliert. Dieser Gummitrichter ist jedoch vollkommen leer, weist also keine Repräsentationen für Zunge, Zähne, Lippen oder weichen Gaumen auf. Durch Veränderung der Abdeckung des Gummitrichters mit der Hand lassen sich sowohl einige unterschiedliche Vokale als auch gewisse Konsonanten erzeugen. Die Nasenrohre werden stets mit den Fingern verschlossen, außer wenn Nasale oder Nasalvokale hervorgebracht werden sollen.


[[Datei:Kempelen Speakingmachine.JPG|mini|Rekonstruktion der Sprechmaschine an der Universität des Saarlandes Saarbrücken]]
[[Datei:Kempelen Speakingmachine.JPG|mini|Rekonstruktion der Sprechmaschine an der Universität des Saarlandes Saarbrücken]]