Kulturgeschichtliche Einordnung der Zauberkunst

1. Archaische Ära der Wunder

bis ca. 1600

Die Ursprünge der Zauberkunst liegen in Ritual, Religion und Mythos. Täuschung und Glauben sind noch untrennbar verbunden – Zauberei als Teil des Weltverständnisses. Leitfiguren: Dedi am Hofe des Pharao, Reginald Scot, Elias Piluland (Hocus Pocus Junior)

  • Kennzeichen: sakrale Symbolik, erstes Staunen, schriftliche Dokumentation von Kunstgriffen
  • Kunstparallele: Frühzeit / Antike / Frühhumanismus

2. Barocke Ära der Gaukelei

ca. 1600–1830

Gaukler, Taschenspieler und Alchimisten prägen das Bild. Jahrmärkte, Höfe und Gasthäuser werden zu Schauplätzen illusionärer Unterhaltung.

  • Leitfiguren: Joseph Fröhlich, Graf Cagliostro, Bartolomeo Bosco
  • Kennzeichen: Wanderkunst, Schaustellung, Volksbelustigung, moralischer Zwiespalt zwischen Betrug und Kunst
  • Kunstparallele: Barock / Rokoko

3. Romantische Epoche der Illusionen

ca. 1830–1890

Die Zauberei erhebt sich zur Bühnenkunst. Theater ersetzt Marktbuden, und mit der neuen Form entsteht eine poetische Sprache der Illusion.

  • Leitfiguren: Ludwig Döbler, Jean Eugène Robert-Houdin, Johann Nepomuk Hofzinser
  • Kennzeichen: Salonkultur, Bühnenästhetik, literarische Sprache, technische Innovation
  • Kunstparallele: Romantik / Biedermeier

4. Gründerzeit der Zauberkunst

ca. 1890–1920

Die Zauberkunst organisiert sich: Händler, Zeitschriften und Vereine entstehen. Eine Gemeinschaft von Künstlern formt das Fundament moderner Zauberei.

  • Leitfiguren: Carl Willmann, Conrad Horster, Karl Schröder
  • Kennzeichen: Professionalisierung, Gründung des Magischen Zirkels, Beginn des internationalen Austauschs
  • Kunstparallele: Gründerzeit / Historismus

5. Klassische Moderne der Zauberei

ca. 1920–1945

Die großen Illusionsschauen prägen das Bild. Zauberei wird Theaterereignis und Ausdruck moderner Bühnenästhetik.

  • Leitfiguren: Alois Kassner, Howard Thurston, Fredo Marvelli
  • Kennzeichen: Großillusionen, Stilbewusstsein, künstlerische Eigenständigkeit, öffentliche Anerkennung
  • Kunstparallele: Klassische Moderne

6. Humanistische Moderne der Zauberkunst

ca. 1945–1970

Nach den Zerstörungen des Krieges sucht die Zauberkunst nach neuen Inhalten. Erzählen, Denken und Reflexion treten neben das Staunen.

  • Leitfiguren: Kalanag, Punx, Alexander Adrion, W. Geissler-Werry
  • Kennzeichen: Theaterprogramme, philosophische Deutung, Literatur, Wiederaufbau internationaler Strukturen, FISM
  • Kunstparallele: Nachkriegsmoderne / Existentialismus

7. Postmoderne Ära der Illusion

ca. 1970–2000

Individuelle Stile, Medien und Spektakel prägen die Zeit. Fernsehen, Show und Theater verschmelzen, während die Bühne neue Formen findet.

  • Leitfiguren: Siegfried & Roy, Doug Henning, David Copperfield, Topas
  • Kennzeichen: Showästhetik, Medialisierung, persönliche Handschrift, Internationalisierung
  • Kunstparallele: Postmoderne

8. Zeitgenössische Ära der Neuen Sinnlichkeit

ab 2000

Die Zauberkunst wird interdisziplinär und reflektiert. Theater, Performance und Technologie verschmelzen zu poetischen Formen des Staunens.

  • Leitfiguren: Ehrlich Brothers, Vertreter der Magie Nouvelle (Yann Frisch, Laurent Piron), Wittus Witt (Zaubermuseum Bellachini)
  • Kennzeichen: Emotion statt Effekt, museale Verankerung, künstlerische Forschung, digitale Vernetzung
  • Kunstparallele: Gegenwartskunst / Neue Medienkunst