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Peter Honegger

Aus Zauber-Pedia
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Peter Honegger; Foto: Wittus Witt

Peter Honegger *25.03.1951, ist ein schweizer Schauspieler und Zauberkünstler, der vorwiegend mit Solo-Programmen auftritt.


Interview

aus Magische Welt, Heft 2/2014

Wie lange hast du an dem Programm gearbeitet? Das kann ich gar nicht mehr so genau sagen. Weil ich auch Nummern spiele, die ich schon 5 oder 6 Jahre zeige. Aber konsequent vielleicht ein Jahr.

Wann hattest du die Idee überhaupt für ein Abendprogramm? Du fragst mich aber schwierige Sachen.

Ja, die leichten lasse ich weg ... Das ist einfach im Laufe der Zeit so entstanden. Ich denke ja in erster Linie sehr theatralisch. Es kamen so viele Eindrücke zusammen. Und vielleicht noch ein Jahr davor kam mir der Gedanke zu diesem Suchen und Finden, das sollte sich durch mein Programm ziehen. Von da ab wurde der Plot immer klarer. Premiere war dann im letzten Jahr und bis heute habe ich es etwa 40-mal gespielt.

Du hast mir ein Band mit dem kompletten Programm schickt. Das Video, so heißt es im Abspann, wurde am Premierenabend aufgezeichnet. Ich war überrascht, wie sicher du da bereits das Programm gespielt hast. Ich habe dir keinerlei Premierenfieber anmerken können. Ja, ich bin ganz gut in diese Premiere reingekommen. Aber ich hatte bis dahin das Programm auch schon mehrere Male getestet. Ich bin eine Zeit lang durch ganz abgelegene Orte in der Schweiz getingelt. Mal hier bei einem Kulturverein, mal dort bei einem anderen alternativen Ort. Insgesamt habe ich das Stück 8-mal gespielt, auch vor Freunden, vor Theaterleuten, Schriftstellern und auch vor Zauberern habe ich es auch zweimal gespielt.

Du kommst ursprünglich vom Theater. Wie war dein Werdegang? Also nach der Schule, nach der Matura, habe ich erst eine Ausbildung zum Lehrer gemacht. Heute nennt man das Grundschullehrer. Auch habe ich ein paar Semester Psychologie studiert. Bin aber schon bald danach nach Paris gegangen, an die Lecoq-Schule, die berühmte Theaterschule für Bewegungstheater. Unter anderem waren dort auch Mummenschanz, die man ja auch bei uns kennt. Die Ausbildung dort hat drei Jahre gedauert. Nach der Rückkehr habe ich dann angefangen, meine Theaterstücke zu machen. Vorwiegend im Solo, aber auch in Duos und einige im Ensemble.

(Anmerkg.: Jacques Lecoq (1921-1999) war ein französischer Theaterpädagoge, Schauspiellehrer und Pantomime. Seine von ihm gegründete École Internationale de Théâtre in Paris ist seit den 1960er-Jahren eine Anlaufstelle für Schauspielschüler aus aller Welt. Er gehörte zu den Vertretern der modernen Pantomime und hatte wesentlichen Anteil an ihrer Entwicklung.)

Welcher Art waren die Solo-Abende? Rezitations-Abende oder ... Nein, ich komme ja von der Bewegung. Ich habe natürlich auch dazu meine eigenen Texte gesprochen. Es waren häufig skurrile, tragisch-komische Ein-Mann-Stücke. Es gab viel zu lachen, hatte aber auch viel Philosophisches. Mit dieser Mischung bin ich eh unterwegs. Und jetzt kommt noch die Zauberei dazu.

Wie bist du zur Zauberei gekommen? Irgendwann bin ich einfach da hineingeplumpst. Das muss vor etwa 12 Jahren gewesen sein. Der Hörbi hat eine Art Zauberfestival organisiert, zu dem ich gekommen bin. Ich glaube, ich bin da ganz alleine hingegangen. Dort habe ich den Patrick Page erlebt. Ich fand das einfach wunderschön, was er gemacht hat. Dieser Mann hat mich so inspiriert. Bis dahin hatte ich ein eher konservatives, klassisches Bild von der Zauberei und war mehr am Theater interessiert.

Patrick Page zeigte mir einmal, dass man wundervoll mit dieser Art älter werden (lacht) kann und zum anderen, dass auch viel Humor einfließen kann. Und da habe ich erlebt, dass man genau das mit meinen Bedürfnissen nach Humor, Komik, Clownerie und nun auch Zauberhaften verbinden kann.

Hatte Patrick Page auch seine Clowns-Darbietung gezeigt? Ja, er hat für einen Moment die Nase aufgesetzt. Das war für mich ein ganz entscheidendes Bild. Ich habe gemerkt, dass da etwas zusammengekommen ist, was ich auch gern zusammenführen möchte. Diese Zauberei und diese Komik.

Eigenartig, Peter, als ich deine Bilder sah, habe ich dich ja auch mit dem roten Ball manipulieren gesehen, den du kurz an deine Nase führst. Irgendwie hatte auch ich da sofort die Assoziation zu Patrick Page. Also muss mich seine Vorführung damals auch getroffen haben. Ja. Und ich fand es so würdevoll, wie dieser Mann das macht, bis zum „Umfallen“. Das hat mich sehr berührt. Wenn ich früher mal Zauberei gesehen habe, hatte mich das nie so berührt. Aber bei Patrick Page habe ich gespürt, wie man das machen kann.

Peter, was war dein Drang, um ans Theater zu gehen? Was wolltest du? Spielen. Ich wollte spielen. Ich war in meinem Leben eher scheu. Aber irgendetwas geschieht mir mir, sobald ich auf der Bühne stehe. Das habe ich in den Pantomimenkursen sehr rasch erfahren. Ich wurde freier, ich bekam Lust, die Leute haben aus irgendwelchen Gründen gelacht. Ich hatte einen Kanal gefunden, mich auszudrücken.

Als du dann später deine Solo-Abende spieltest, nach welchen Kriterien hast du deine Programme ausgesucht? Ich ging fast immer von persönlichen Themen aus und habe die gestaltet, theatralisch gestaltet. Wie auch jetzt mit dem Progamm „Secrets“. Ein Thema, mit dem ich im Leben unterwegs bin. Das war immer so. Da war mal das Thema Mann-Frau ein großes Thema und halt andere. Das habe ich dann gestaltet, überhöht natürlich, damit es nicht ein persönliches Ding wurde, sondern eher exemplarisch.

Zurück zu deinem Programm, Peter. Du sagtest ja, dass Einzelelemente schon vorhanden waren. Wie hast du sie zusammengefügt? Welche Dramaturgie hast du angewandt? Ich habe überlegt, wie fügt sich das Ganze in einen Plot. Wie beginne ich, wie steigert es sich, wie entwickelt es sich zum Höhepunkt und wie komme ich zum Schluss? Es ist gar kein großes Konzept. Eigentlich recht einfach, Anfang, Mitte, Höhepunkt, Schluss. Dann habe ich gemerkt, dass ich sehr gerne diesen direkten Draht zum Publikum habe, wo ich interagieren kann, fragen kann, was direkt zu jemandem sagen kann. Dadurch hatte ich dann die Idee, dass es ein Seminar ist. Also ich spreche die Leute zu Beginn als Seminarteilnehmer/-innen an und begrüße sie zum Seminar „Secrets”, in dem es um die großen Lebensfragen geht. Ich freue mich, dass sie sich so zahlreich angemeldet haben. Das erzeugt schon mal eine gewisse Spannung oder auch ein Schmunzeln. Die Zuschauer hatten ja davon keine Ahnung und denken: In was bin ich jetzt da hineingeraten? Das ist also im Großen der Plot. Es ist ein Seminar, ein philosophisches Seminar. 

Als du nun mehr und mehr in die Zauberszene kamst, Peter, wie hat sie auf dich gewirkt? Im Vergleich zur Theaterszene, in der du dich bislang bewegt hast. Sehr unterschiedlich. Auf der einen Seite habe ich das Gefühl gehabt, ich finde eine künstlerische Heimat. Ich bin eingetaucht in diese Welt wie ein Kind, das alles aufsaugt. Auch hatte ich zum ersten Mal – sagen wir mal – Freude an einer Männerwelt, (lacht). Dass da hunderte von Männern im Saal saßen und miteinander Spaß haben. Das hat mich irgendwo sehr angesprochen. Da habe ich ganz tolle Leute gesehen. Sehr viel intelligente Leute und vor allem sehr viele Persönlichkeiten.

Gleichzeitig habe ich auch immer wieder erlebt, wie klassisch und wie langweilig (lacht) – für einen Theatermann, weißt du ... wie fad, wie dünn die Storys sind dadrin (lacht, beide lachen), wie oberflächig usw. alles oftmals ist. Wie leicht verführbar sie sind. Das war sehr ambivalent, weißt du. Umso mehr habe ich dann auf Kongressen immer auf die Leute reagiert, die so theatralisch waren oder ein Thema bearbeiten. Das muss nicht dick sein. Das kann auch rein in der Person schwingen. Ich bin dann doch immer wieder zufrieden aus solchen Veranstaltungen rausgegangen. Aber das ist mehr so punktuell.

Ein solcher Punkt war ja Patrick Page. Gab es noch weitere, die dich inspiriert oder beeinflusst haben? David Williamson, natürlich, Eugene Burger und Norbert Ferré. Aber auch erst kürzlich ein Portugiese, dessen Name mir nicht einfällt. Sein markantes Requisit war ein roter Umschlag. Der war hochsensibel und sehr künstlerisch. (Anmerkg.: Peter denkt hier an David Sousa.)

Es gibt auch Namen, die ich noch nicht gesehen habe, aber bei denen ich eine Verwandtschaft spüre. Wie bei Markus Zink. Ich mag seine Artikel und von dem, was ich gelesen habe, denkt er auch sehr theatralisch. Aber so viele kenne ich auch gar nicht, weil ich doch sehr in meiner Welt unterwegs bin. Ich bin mal in Blackpool gewesen ...

Wie hat es dir dort gefallen? ... lacht, lacht ... auch wieder beides: grauenhaft, (lacht), grauenhaft, ein Jahrmarkt der Eitelkeit, des Konsums, und dann plötzlich mittendrin jemand, der, zack, etwas macht und die Magie ist da. Trotz allem. Ich kann da aber auch meine kleine Suchttendenz nicht verleugnen, mit der ich auch über die Händlermesse gehe und hier und dort etwas kaufe. Aber insgesamt doch nicht wirklich inspirierend. Wenn ich dann nach Hause komme, bin ich leer und erschlagen, aber nicht erfüllt. Vielleicht wirkt dann das eine oder andere später doch noch etwas nach. Aber ich lasse mich halt lieber von einer Persönlichkeit inspirieren, wenn ich das Gefühl bekommen habe, sie ist einen Weg gegangen, der mich inspiriert, meinen Weg noch weiter, noch tiefer zu gehen. Das hole ich mir mehr von den Persönlichkeiten als von dem, was sie tun.

Was magst du an der Theaterwelt? Dieser riesige Freiraum, die Verrücktheit, das Sprengen von Grenzen, die Musikalität, auch wenn es Text ist. Das Eintauchen in eine – wenn es gelingt – völlig andere Welt als das Alltagsbewusstsein. Das Größerwerden. Also nimm Peter Brook. Wenn ich seine Inszenierungen gesehen habe, ist mir jedes Mal der Himmel aufgegangen. Was gefällt dir an der Zauberwelt? Dass ein Instrument, ein Handwerk da ist, das helfen kann, in diesen Raum des Staunens hineinzukommen. Das sagen zwar alle, aber es ist auch ein wunderbares Transportmittel zu zeigen, dass in dieser Welt gezaubert wird. Nicht dass WIR zaubern, sondern dass ES gezaubert wird.

Wo sind für dich die Berührungspunkte von Schauspiel- und Zauberkunst? Ich kann es einfach wunderbar verbinden mit Geschichten, mit Themen, mit Interaktionen im Publikum und mit meiner Sehnsucht nach Magie in dieser Welt. Das war zwar im Theater auch schon, aber ich habe nun mit der Zauberkunst ein neues Werkzeug. Das ich jedoch nicht als Werkzeug zeigen möchte, sondern als Werkzeug nützen möchte, mit den Leuten und mit mir selber in Räume hineinzukommen, wo Staunen möglich ist, zusammen mit meiner Mischung von Humor. Es ist für mich auch manchmal ein Forschungsobjekt, diese unterschiedlichen Elemente von Zauberkunst, Theater, Humor, Staunen gehen nicht immer gut miteinander auf. Ich bin auch oft gescheitert, wenn ich mit Kunststücken versucht habe, alles zusammenzubringen. Ich habe dann gemerkt, ich müsste es als reine Zauberei zeigen, aber das bin ich eben nicht. Ich habe nicht 30 Jahre damit verbracht. Ich denke auch nicht unbedingt wie ein Zauberer. Das merke ich dann, wenn ich mit anderen Zauberern zusammen bin. Ich denke nicht wie sie. Wenn ich etwas anschaue, merke ich, dass ich anders fühle und denke als die Zauberer, die sich stundenlang über etwas unterhalten können, was für mich eher Beiwerk ist.

Was vermisst du in der Zauberszene? Mehr Tiefe. Weniger dieses oberflächige Rummachen mit Tricks. Das persönliche Spürbarwerden mit dem, was man macht. Dass die Person durchkommt. Dass nur diese Person das machen kann, was sie gerade macht. Es darf nicht austauschbar sein. Dass man einen Prozess durchmacht. Dass man mit dem Material kämpft, das man sich zu eigen macht. Dass man es mit etwas füllt. Das muss aber gar nicht triefend ernst sein. Aber es ist die ganze Person gefragt, wenn man auf die Bühne geht. Oft habe ich auch das Gefühl, dass viele gar nicht wissen, was es heißt, auf die Bühne zu gehen. Was da für Kräfte herrschen und was man da mobilisieren kann und wie man mit den Zuschauern in andere Räume hineingehen kann. Das wird manchmal völlig banalisiert. Wie gehst du mit Lampenfieber um? Ich meditiere vor meinen Auftritten. Halbe Stunde meditieren, halbe Stunde Körperarbeit vor der Vorstellung und dann bin ich da. Ich bin dann zwar immer noch etwas nervös, aber ich bin gleichzeitig auch ganz fokussiert und ganz ruhig. Das ist mein Werkzeug, das ich wie ein Ritual jedes Mal durchführe.