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Patrick Page: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Zauber-Pedia
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[[Bild:PatrickPage.jpg|thumb|250px|Patrick Page; Foto: Wittus Witt]]
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'''Patrick Page''', *1936
'''Patrick Page''', 17. März 1936 - 11. Februar 2010
 
Der aus Schottland stammende und heute in London (England) lebende Page war von 1962 bis 1975 im Londoner Zaubergeschäft „Davenport” angestellt. Seine Künste waren anspruchsvoll und verblüffend, so dass sich im „Davenport“ häufig bekannte Zauberkünstler trafen, um ihre Erfahrungen auszutauschen. Page war u. a. der Fachberater für die ➟ „[[Wayne Dobson]] Fernseh-Zaubershow“. Zu seinen Erfindungen zählen der „Feuerfächer” und die „Feuerfackel“.  
Der aus Schottland stammende und heute in London (England) lebende Page war von 1962 bis 1975 im Londoner Zaubergeschäft „Davenport” angestellt. Seine Künste waren anspruchsvoll und verblüffend, so dass sich im „Davenport“ häufig bekannte Zauberkünstler trafen, um ihre Erfahrungen auszutauschen. Page war u. a. der Fachberater für die ➟ „[[Wayne Dobson]] Fernseh-Zaubershow“. Zu seinen Erfindungen zählen der „Feuerfächer” und die „Feuerfackel“.  
== Leben ==
(aus Magische Welt, Heft 3/2005)
Wittus Witt: Ab und zu bekomme ich von Zau­berkollegen – auch namhaften – die Frage zu hören: Wie kommt man denn auf die Titel­seite der mw ...? Als ich Patrick Page vor einem Jahr anbot, über ihn eine Titelstory zu bringen, lehnte er dankend ab.
Nach ein paar Wochen unternahm ich einen neuen Anlauf: Pat, laß mich Dich den Lesern der mw vorstellen, bat ich. Ich habe ein paar Fragen, die Du vielleicht beantworten kannst! „Okay“, war seine kurze Antwort. Wie hättest Du sie gern? Per Telefon, E-Mail oder per Brief?, wollte ich danach wissen. „Oh, am Telefon sagt man schnell etwas Falsches. Von mir aus per E-Mail. Ich habe einen Computer, er ist zwar noch nicht angeschlossen, aber das wird wohl bald geschehen.“ Und wie lautet die E-Mail-Adresse?, wollte ich dann noch wissen. Er nannte sie mir, und schon schickte ich die Fragen ab. Und dann wartete ich. Eine Woche, zwei Wochen, drei Wochen.
Schließlich rief ich wieder an. „Ach ja, E-Mail. Ich habe es noch nicht eingerichtet.“ Also schickte ich die Fra­gen per Post und wartete wieder.  Ab und zu rief ich ihn dann auch wieder an und plauderte mit ihm. Erhielt ich an dem einen Tag auf eine Frage keine Antwort, stellte ich sie am nächsten. So zog sich das „Gespräch“ über mehrere Wochen und Monate hin. Zwi­schen­durch flog er immer mal wieder zu Auftritten. „Nächste Woche geht es nicht, da bin ich in Argentinien.“ Dann: „In den nächsten Tagen bin ich übrigens in Deutschland, in Saalfeld.“
Wie war es denn in Saalfeld, Patrick? Wollte ich beim nächsten Anruf wissen. „Ganz nett.“ Und welche Darbietung hast Du dort gezeigt? „Du wirst es nicht glauben! Ich war hinter der Bühne und beobachtete die Nummern vor mir. Ich sollte im zweiten Teil auftreten und meine Clowndarbietung zeigen. Ich war schon fix und fertig. Da sah ich diesen einen Kollegen, wie er die Billardbälle zeigte, Kartenmani­pul­a­tio­nen und auch den Münzenfang vorführte. Alles Sachen, die ich auch zeige, zeigen wollte. Es blieb kaum noch etwas für mich übrig. Aber ich habe es dann wohl doch noch geschafft. Es war halt meine Schuld, ich hätte mich besser darauf vorbereiten sollen.“
Das ist typisch Patrick Page. Er würde sich wahrscheinlich nie wirklich richtig über etwas beklagen und jemand anderem eine Schuld zuweisen. Er will stets seinen Frieden mit je­dem und mit allen. Soweit ich erfahren konnte, stellte er sich bislang nur zweimal einem Interview: 1993 in der eigenwilligen Zauber­zeit­schrift „The Crimp“, die von seinem guten Freund Jerry Sadowitz herausgegeben wird, und 1998 anläßlich der Gründung von Silvans Zauberakademie in Italiens „Il Prestigiatore Moderno“. Er wurde zwar, wie er sagte, schon oft um Interviews gebeten, aber die haben ihn nie richtig interessiert.
Patrick Page wurde am 17. März 1929 in Schottland, in dem schönen Ort Dundee geboren. Sein Elternhaus war weder reich noch wohlhabend, im Gegenteil! Mit 14 Jahren verließ Patrick die Schule, um Geld zu verdienen. Er jobbte in vielen Be­rei­chen: Er arbeitete auf dem Bau, trug eine Zeit lang die Milch morgens aus und arbeitete auch für längere Zeit in einer Jute-Fabrik. Bis er eines Tages, er war gerade 21 Jahre alt, in einem Secondhand-Laden ein kleines Zauberbuch von Will Gold­stone entdeckte. Er besitzt es heute noch. Von nun an war er von der Zauberei besessen und wurde sehr schnell Profizauberer.
1950 heiratete er Margret. Mit ihr hat er 53 einhalb Jahre zusammengelebt. Sie bekamen zwei Kinder Janette (1955) und Jeremy (1964). Margret Page starb im Oktober 2003.
Patrick und Margret zogen kurz nach ihrer Heirat nach London. Während eines Besuches in dem berühmten Buchladen „Foyles“, in dem Patrick nach Zauberbüchern stöberte, traf er zufällig einen anderen Zauberer, der ihm von Harry Stanleys „Unique Magic Club“ erzählte und ihn anregte, dort einmal hinzukommen.
1951 schloß sich Patrick dem Zauberklub an. In dem schon damals legendären „Unique Magic Studio“ traf er alle namhaften Zau­ber­künstler. Jeder bekannte Profi, der nach Lon­don kam, besuchte [[Harry Stanley]]s Zauber­ge­schäft: Vernon, Slydini, Hen Fetsch, Stanley Jaks und viele mehr. In den Wintermonaten organisierte Stanley Zauberabende, zu denen er weitere gute Zauberer einlud, die in England noch nicht so bekannt waren.
Ob Patrick Page in dieser Zeit von bestimmten Künstlern besonders beeindruckt oder auch beeinflußt worden sei, wollte ich natürlich auch noch von ihm wissen. Zu meiner Freude zögert er mit der Antwort nicht, sondern nennt sofort den Namen: „Jerry Bergman.“ Oh, Jerry Bergman, war das nicht der amerikanische Comedyzauberer, der Bälle „spuckte“ und den unsichtbaren Hund an der sichtbaren Leine zeigte? „Genau, der war es. Er hat mich sehr beeinflußt, denn bei ihm sah ich zum ersten Mal, daß man auch kleine Kunst­stücke auf einer Bühne vor einem großen Publikum vorführen konnte.“
In einer der ersten Werner-Hornung-Shows (Ende der 1960er Jahre) trat Jerry Bergman übrigens auch einmal in Deutschland auf. Ich kann mich noch gut daran erinnern und habe sogar noch die Fotos von ihm aufbewahrt. Patrick erzählt ebenso begeistert von [[Neil Foster]]. Foster zauberte damals für die amerikanischen Truppen in England und besuchte eines Tages das Unique Magic Studio. Stanley verpflichtete ihn sofort für einen seiner Zau­berabende. Bei ihm sah Patrick Page zum er­sten Mal eine gute Vorführung der „Zombie-Kugel“. Die Kugel schwebte nicht wie sonst üblich hinter einem Tuch, sondern an einem Fächer. Auch von Neil Fosters Präsentation der Fächerkarten war Page begeistert. Er kann sich noch gut daran erinnern, daß Foster nicht nur einen Doppel-Fächer zeigte, nein, sogar einen Dreifach-Fächer. So etwas hat er bis heute nie mehr gesehen. Beim Kartenfang drehte sich Foster um seine eigene Achse und führte mit der produzierenden Hand eine Kreisbewegung aus: vom Knie angefangen bis über seinen Kopf hinaus. Richtig, Jahre später zeigte diese Art des Kartenfangs auch Fred Kaps und da­nach Lance Burton.
Patrick ist von jedem „Spezial-Akt“ begeistert. Egal, ob es sich dabei um einen Clown, Jongleur, Bauchredner oder Zauberer handelt. Er bewundert die wirklich Großen, wie z. B. [[Cardini]], dem es damals gelang, in nur 10 Minu­ten eine perfekte Darbietung zu zeigen. Heute sieht er Ähnliches nur noch selten. Die Zeiten haben sich geändert. Damals, als es noch die vielen Spielstätten für Zauberkünstler gab, mußten die guten Zauberer fast immer zweimal am Tag auftreten. Sie wußten, daß jede Sekunde zählt und verzichteten auf überflüssige Handbewegung und Geste. Sie feilten ständig an ihren Darbietungen, sie waren nie zufrieden. Diese Einstellung bestimmte ihre perfekten Darbietungen, die man sich immer und immer wieder gerne anschaute.
Anfang der 1950er Jahre fand Patrick Page eine Anstellung in dem Zaubergeschäft von Dick Chavel auf der Oxford Street. (Es wurde später von Toni Corinda übernommen.) Aber schon 1958 quittierte er den Job, weil er zu viele Auftritte nebenher absolvierte. Patrick Page zaubert überall, wo es dazu eine Gele­gen­heit gab: in Bars, Arbeiter-Klubs, Restaurants und vielen anderen Etablissements. Das sollte ihm leider einmal jedoch auch zum Verhängnis werden. Doch dazu später mehr.
Damals nannte er sich noch „Ricky Page“. In den 1960er Jahren besann er sich dann wieder auf seinen Geburtsnamen Patrick.
Bald gründete Patrick Page auch seinen eigenen Zauberhandel in London und eröffnete ein Büro in High Holborn. Als er es 1962 wieder schließen wollte, hörte Betty Davenport davon. Sie fragte ihn, ob er nicht für sie arbeiten wolle. Patrick sagte zu und begann damit eine seiner glücklichsten Zeiten in der Londoner Zauberszene. Schon bald wurde er zu einer Institution in der englischen Metropole. Kamen früher die Zauberer aus nah und fern zu Harry Stanley, so kamen sie nun zu Davenports auf der Great Russel Street, gegenüber dem Bri­tish Museum. Man traf sich bei Davenports mit Patrick Page. Er liebte es, hinter dem Tresen zu stehen und vorzuführen. Dabei setzte er fast immer das Topit ein. Er übernahm es von Gilly, Bettys Vater, der es meisterhaft vorführte. Kein Wunder, daß Patrick später darüber Video­lehr­gänge und Seminarhefte herausgab. Wenn ein Profizauberer das Topit routiniert einsetzen konnte, dann war es Patrick Page. Er traf sogar einmal kurz den Erfinder dieses großartigen Utensils, Harold Comden. Ihn fragte Patrick, woher er die Idee dazu habe. Das Topit wurde als Hilfsmittel von Ladendieben eingesetzt. Sie trugen es unter weiten langen Mänteln.
Patrick blieb bis zum Jahre 1975 bei Daven­ports. Er mußte aufhören, weil seine Auftritte wieder einmal überhand nahmen. Er kam manchmal erst spät nachts nach Hause und schaffte gerade ein paar Stunden Schlaf, bevor er wieder im Davenport-Geschäft hinter dem Tresen stehen mußte.
In den 1970er Jahren fing Pat nun auch an, sein Wissen in Büchern und Heften weiterzugeben. 1970 erschien sein erstes Zauberbuch: „How to be a Conjurer“. Danach erschienen „Michael Bentine’s Magic Book“ (1972), die kleine Serie von vier Bändchen „Tricks with Cards“, 1974, „Tricks with Coins“, 1974, „Tricks with Handkerchiefs“, 1974, „Tricks with Paper“, 1974, die später zusammen in dem Buch „Bells Book of Tricks“ in den USA noch einmal herausgegeben wurden.
Von 1974 bis 1984 unterhielt er in der exklusiven englischen Zauberzeitschrift „Pabular“ seine ganz spezielle Kolumne „The Page Boy Speaks“, die fast immer von den Abonnenten zu allererst gelesen wurde. Was vor Jahren in Amerika „The Vernon-Touch“ in der Genii war,  fand in Pabular mit dem „Seiten-Jungen“ eine würdige Alternative.
1976 erschien dann das „Big Book of Ma­gic“, das für großes Aufsehen sorgte. Patrick hatte ein Jahr daran gearbeitet. Seit lan­ger Zeit war kein so umfassendes Zauber­buch in dem öffentlichen Buchhandel mehr erschienen. Es war eine Sensation. Es wurde in mehrere Sprachen übersetzt und kam unter anderem heraus in Spanien, Italien, Frankreich, sowie in Nord- und Südamerika und auch in Südafrika. In England kam es ein Jahr später als Paper­back heraus.
Leider waren jedoch nicht alle Zauberer über das Buch so glücklich. Der Britische IBM-Ring warf ihn wegen des Zauberbuches aus seinem Verein raus. In Wirklichkeit steckte je­doch hinter diesem Rauswurf nicht das Buch, sondern etwas anderes. Schon seit längerem war der Vorstand des IBM-Ringes mit dem Zauberleben von Patrick nicht einverstanden. Dem erhabenen, vornehmen Vorstand mißfiel es, daß Patrick seine Zauberkunst nahe­zu über­all präsentierte – siehe oben. Das Buch, in dem wertvolle Geheim­nis­se den Laien erklärt wurden, war nun ein willkommener Anlaß für einen Rauswurf. Aber schon nach 3 Jahren baten sie ihn, wieder einzutreten. Aller­dings taten es nicht dieselben Herren, die in rauswarfen, sondern es war Ali Bongo, dem man die Rolle eines Vermittlers zuschob. Kurz da­nach kam dann etwa die Hälfte des Vor­standes zu Pat, um sich zu entschuldigen. Sie hätten den Rauswurf gar nicht richtig mitbekommen. Sie seien während der Abstimmung auf der Toi­lette gewesen ... Das war in der Zeit von Jeffery Atkins und Bill Stickland. Wenn Pat heute daran zurückdenkt, schwingt kein Groll in seinen Erinnerungen. Für ihn ist das längst vorbei, und er kann nur noch darüber lachen, daß letzten Endes ihn eigentlich niemand hat aus dem Verein rauswerfen lassen.
Patrick Page liebt die Zauberei über alles. Sollte er einmal nicht mehr zaubern, würde er gern Autor werden. Er hat bereits kleine Ge­schichten geschrieben und auch ein Thea­terstück, das in den 1970er für eine kurze Zeit in London aufgeführt worden ist, „One way ticket to Paradise“. Darin hat Patrick Page seine Erfahrung mit dem Showbusineß verarbeitet. Ein 3-Personen-Stück: Sänger, Manager, Se­kretärin. Die beiden versuchen in dem Stück, den Sänger zu überzeugen, Selbstmord zu be­gehen. Denn dadurch würde er weltberühmt und unsterblich werden. Zum Schluß gelingt es ihnen, und sie reiben sich genüßlich die Hän­de, da sie nun mit Neuauflagen der Songs so richtig „absahnen“ können.
Patrick Page kennt das Gewerbe und macht sich so seine Gedanken darüber. Aber er ist dabei stets zurückhaltend und vermeidet Streit und Ärger. Erst kürzlich besuchte er ein Se­minar eines kanadischen Kollegen, der unter an­derem den Effekt „Papier zu Geldschein“ erklärte. Eine Erfindung von Patrick Page aus den frühen 1960er Jahren. Der Kollege erkundigte sich, ob Patrick Page unter den Zu­schauern sei, und würdigte ihn auch als den Erfinder dieses wunderschönen Kunststückes. Anschließend verkaufte der Dozent eine DVD mit der Erklärung dazu. Patrick Page erhielt jedoch keinen Cent dafür. Er wurde noch nicht einmal um Erlaubnis gefragt. Patrick registrierte dies und ließ es geschehen. Er weiß ja, daß es sein Kunststück ist, dieses Wissen allein genügt ihm und gibt ihm Zufriedenheit.
In all den Jahren, in denen ich Patrick Page (seit 1965) immer wieder traf, zeigte er mir eine gleichbleibende Freundlichkeit und Gelassenheit.
Zum Schluß erlaubte ich mir noch die Frage, ob er mit seiner Zauberkunst reich geworden sei. „Not at all“, antwortet er spontan. Er zahle immer noch Miete für seine Wohnung. Aber er muß sich für den Rest seines Lebens keine finanziellen Sorgen machen. Es gehe ihm gut. Er genießt das Leben und hat noch eine Menge vor.





Version vom 1. April 2014, 16:52 Uhr

Patrick Page; Foto: Wittus Witt

Patrick Page, 17. März 1936 - 11. Februar 2010

Der aus Schottland stammende und heute in London (England) lebende Page war von 1962 bis 1975 im Londoner Zaubergeschäft „Davenport” angestellt. Seine Künste waren anspruchsvoll und verblüffend, so dass sich im „Davenport“ häufig bekannte Zauberkünstler trafen, um ihre Erfahrungen auszutauschen. Page war u. a. der Fachberater für die ➟ „Wayne Dobson Fernseh-Zaubershow“. Zu seinen Erfindungen zählen der „Feuerfächer” und die „Feuerfackel“.


Leben

(aus Magische Welt, Heft 3/2005)

Wittus Witt: Ab und zu bekomme ich von Zau­berkollegen – auch namhaften – die Frage zu hören: Wie kommt man denn auf die Titel­seite der mw ...? Als ich Patrick Page vor einem Jahr anbot, über ihn eine Titelstory zu bringen, lehnte er dankend ab.

Nach ein paar Wochen unternahm ich einen neuen Anlauf: Pat, laß mich Dich den Lesern der mw vorstellen, bat ich. Ich habe ein paar Fragen, die Du vielleicht beantworten kannst! „Okay“, war seine kurze Antwort. Wie hättest Du sie gern? Per Telefon, E-Mail oder per Brief?, wollte ich danach wissen. „Oh, am Telefon sagt man schnell etwas Falsches. Von mir aus per E-Mail. Ich habe einen Computer, er ist zwar noch nicht angeschlossen, aber das wird wohl bald geschehen.“ Und wie lautet die E-Mail-Adresse?, wollte ich dann noch wissen. Er nannte sie mir, und schon schickte ich die Fragen ab. Und dann wartete ich. Eine Woche, zwei Wochen, drei Wochen. Schließlich rief ich wieder an. „Ach ja, E-Mail. Ich habe es noch nicht eingerichtet.“ Also schickte ich die Fra­gen per Post und wartete wieder. Ab und zu rief ich ihn dann auch wieder an und plauderte mit ihm. Erhielt ich an dem einen Tag auf eine Frage keine Antwort, stellte ich sie am nächsten. So zog sich das „Gespräch“ über mehrere Wochen und Monate hin. Zwi­schen­durch flog er immer mal wieder zu Auftritten. „Nächste Woche geht es nicht, da bin ich in Argentinien.“ Dann: „In den nächsten Tagen bin ich übrigens in Deutschland, in Saalfeld.“

Wie war es denn in Saalfeld, Patrick? Wollte ich beim nächsten Anruf wissen. „Ganz nett.“ Und welche Darbietung hast Du dort gezeigt? „Du wirst es nicht glauben! Ich war hinter der Bühne und beobachtete die Nummern vor mir. Ich sollte im zweiten Teil auftreten und meine Clowndarbietung zeigen. Ich war schon fix und fertig. Da sah ich diesen einen Kollegen, wie er die Billardbälle zeigte, Kartenmani­pul­a­tio­nen und auch den Münzenfang vorführte. Alles Sachen, die ich auch zeige, zeigen wollte. Es blieb kaum noch etwas für mich übrig. Aber ich habe es dann wohl doch noch geschafft. Es war halt meine Schuld, ich hätte mich besser darauf vorbereiten sollen.“

Das ist typisch Patrick Page. Er würde sich wahrscheinlich nie wirklich richtig über etwas beklagen und jemand anderem eine Schuld zuweisen. Er will stets seinen Frieden mit je­dem und mit allen. Soweit ich erfahren konnte, stellte er sich bislang nur zweimal einem Interview: 1993 in der eigenwilligen Zauber­zeit­schrift „The Crimp“, die von seinem guten Freund Jerry Sadowitz herausgegeben wird, und 1998 anläßlich der Gründung von Silvans Zauberakademie in Italiens „Il Prestigiatore Moderno“. Er wurde zwar, wie er sagte, schon oft um Interviews gebeten, aber die haben ihn nie richtig interessiert.

Patrick Page wurde am 17. März 1929 in Schottland, in dem schönen Ort Dundee geboren. Sein Elternhaus war weder reich noch wohlhabend, im Gegenteil! Mit 14 Jahren verließ Patrick die Schule, um Geld zu verdienen. Er jobbte in vielen Be­rei­chen: Er arbeitete auf dem Bau, trug eine Zeit lang die Milch morgens aus und arbeitete auch für längere Zeit in einer Jute-Fabrik. Bis er eines Tages, er war gerade 21 Jahre alt, in einem Secondhand-Laden ein kleines Zauberbuch von Will Gold­stone entdeckte. Er besitzt es heute noch. Von nun an war er von der Zauberei besessen und wurde sehr schnell Profizauberer.

1950 heiratete er Margret. Mit ihr hat er 53 einhalb Jahre zusammengelebt. Sie bekamen zwei Kinder Janette (1955) und Jeremy (1964). Margret Page starb im Oktober 2003. Patrick und Margret zogen kurz nach ihrer Heirat nach London. Während eines Besuches in dem berühmten Buchladen „Foyles“, in dem Patrick nach Zauberbüchern stöberte, traf er zufällig einen anderen Zauberer, der ihm von Harry Stanleys „Unique Magic Club“ erzählte und ihn anregte, dort einmal hinzukommen.

1951 schloß sich Patrick dem Zauberklub an. In dem schon damals legendären „Unique Magic Studio“ traf er alle namhaften Zau­ber­künstler. Jeder bekannte Profi, der nach Lon­don kam, besuchte Harry Stanleys Zauber­ge­schäft: Vernon, Slydini, Hen Fetsch, Stanley Jaks und viele mehr. In den Wintermonaten organisierte Stanley Zauberabende, zu denen er weitere gute Zauberer einlud, die in England noch nicht so bekannt waren. Ob Patrick Page in dieser Zeit von bestimmten Künstlern besonders beeindruckt oder auch beeinflußt worden sei, wollte ich natürlich auch noch von ihm wissen. Zu meiner Freude zögert er mit der Antwort nicht, sondern nennt sofort den Namen: „Jerry Bergman.“ Oh, Jerry Bergman, war das nicht der amerikanische Comedyzauberer, der Bälle „spuckte“ und den unsichtbaren Hund an der sichtbaren Leine zeigte? „Genau, der war es. Er hat mich sehr beeinflußt, denn bei ihm sah ich zum ersten Mal, daß man auch kleine Kunst­stücke auf einer Bühne vor einem großen Publikum vorführen konnte.“ In einer der ersten Werner-Hornung-Shows (Ende der 1960er Jahre) trat Jerry Bergman übrigens auch einmal in Deutschland auf. Ich kann mich noch gut daran erinnern und habe sogar noch die Fotos von ihm aufbewahrt. Patrick erzählt ebenso begeistert von Neil Foster. Foster zauberte damals für die amerikanischen Truppen in England und besuchte eines Tages das Unique Magic Studio. Stanley verpflichtete ihn sofort für einen seiner Zau­berabende. Bei ihm sah Patrick Page zum er­sten Mal eine gute Vorführung der „Zombie-Kugel“. Die Kugel schwebte nicht wie sonst üblich hinter einem Tuch, sondern an einem Fächer. Auch von Neil Fosters Präsentation der Fächerkarten war Page begeistert. Er kann sich noch gut daran erinnern, daß Foster nicht nur einen Doppel-Fächer zeigte, nein, sogar einen Dreifach-Fächer. So etwas hat er bis heute nie mehr gesehen. Beim Kartenfang drehte sich Foster um seine eigene Achse und führte mit der produzierenden Hand eine Kreisbewegung aus: vom Knie angefangen bis über seinen Kopf hinaus. Richtig, Jahre später zeigte diese Art des Kartenfangs auch Fred Kaps und da­nach Lance Burton.

Patrick ist von jedem „Spezial-Akt“ begeistert. Egal, ob es sich dabei um einen Clown, Jongleur, Bauchredner oder Zauberer handelt. Er bewundert die wirklich Großen, wie z. B. Cardini, dem es damals gelang, in nur 10 Minu­ten eine perfekte Darbietung zu zeigen. Heute sieht er Ähnliches nur noch selten. Die Zeiten haben sich geändert. Damals, als es noch die vielen Spielstätten für Zauberkünstler gab, mußten die guten Zauberer fast immer zweimal am Tag auftreten. Sie wußten, daß jede Sekunde zählt und verzichteten auf überflüssige Handbewegung und Geste. Sie feilten ständig an ihren Darbietungen, sie waren nie zufrieden. Diese Einstellung bestimmte ihre perfekten Darbietungen, die man sich immer und immer wieder gerne anschaute.

Anfang der 1950er Jahre fand Patrick Page eine Anstellung in dem Zaubergeschäft von Dick Chavel auf der Oxford Street. (Es wurde später von Toni Corinda übernommen.) Aber schon 1958 quittierte er den Job, weil er zu viele Auftritte nebenher absolvierte. Patrick Page zaubert überall, wo es dazu eine Gele­gen­heit gab: in Bars, Arbeiter-Klubs, Restaurants und vielen anderen Etablissements. Das sollte ihm leider einmal jedoch auch zum Verhängnis werden. Doch dazu später mehr.

Damals nannte er sich noch „Ricky Page“. In den 1960er Jahren besann er sich dann wieder auf seinen Geburtsnamen Patrick.

Bald gründete Patrick Page auch seinen eigenen Zauberhandel in London und eröffnete ein Büro in High Holborn. Als er es 1962 wieder schließen wollte, hörte Betty Davenport davon. Sie fragte ihn, ob er nicht für sie arbeiten wolle. Patrick sagte zu und begann damit eine seiner glücklichsten Zeiten in der Londoner Zauberszene. Schon bald wurde er zu einer Institution in der englischen Metropole. Kamen früher die Zauberer aus nah und fern zu Harry Stanley, so kamen sie nun zu Davenports auf der Great Russel Street, gegenüber dem Bri­tish Museum. Man traf sich bei Davenports mit Patrick Page. Er liebte es, hinter dem Tresen zu stehen und vorzuführen. Dabei setzte er fast immer das Topit ein. Er übernahm es von Gilly, Bettys Vater, der es meisterhaft vorführte. Kein Wunder, daß Patrick später darüber Video­lehr­gänge und Seminarhefte herausgab. Wenn ein Profizauberer das Topit routiniert einsetzen konnte, dann war es Patrick Page. Er traf sogar einmal kurz den Erfinder dieses großartigen Utensils, Harold Comden. Ihn fragte Patrick, woher er die Idee dazu habe. Das Topit wurde als Hilfsmittel von Ladendieben eingesetzt. Sie trugen es unter weiten langen Mänteln.

Patrick blieb bis zum Jahre 1975 bei Daven­ports. Er mußte aufhören, weil seine Auftritte wieder einmal überhand nahmen. Er kam manchmal erst spät nachts nach Hause und schaffte gerade ein paar Stunden Schlaf, bevor er wieder im Davenport-Geschäft hinter dem Tresen stehen mußte.

In den 1970er Jahren fing Pat nun auch an, sein Wissen in Büchern und Heften weiterzugeben. 1970 erschien sein erstes Zauberbuch: „How to be a Conjurer“. Danach erschienen „Michael Bentine’s Magic Book“ (1972), die kleine Serie von vier Bändchen „Tricks with Cards“, 1974, „Tricks with Coins“, 1974, „Tricks with Handkerchiefs“, 1974, „Tricks with Paper“, 1974, die später zusammen in dem Buch „Bells Book of Tricks“ in den USA noch einmal herausgegeben wurden.

Von 1974 bis 1984 unterhielt er in der exklusiven englischen Zauberzeitschrift „Pabular“ seine ganz spezielle Kolumne „The Page Boy Speaks“, die fast immer von den Abonnenten zu allererst gelesen wurde. Was vor Jahren in Amerika „The Vernon-Touch“ in der Genii war, fand in Pabular mit dem „Seiten-Jungen“ eine würdige Alternative.

1976 erschien dann das „Big Book of Ma­gic“, das für großes Aufsehen sorgte. Patrick hatte ein Jahr daran gearbeitet. Seit lan­ger Zeit war kein so umfassendes Zauber­buch in dem öffentlichen Buchhandel mehr erschienen. Es war eine Sensation. Es wurde in mehrere Sprachen übersetzt und kam unter anderem heraus in Spanien, Italien, Frankreich, sowie in Nord- und Südamerika und auch in Südafrika. In England kam es ein Jahr später als Paper­back heraus. Leider waren jedoch nicht alle Zauberer über das Buch so glücklich. Der Britische IBM-Ring warf ihn wegen des Zauberbuches aus seinem Verein raus. In Wirklichkeit steckte je­doch hinter diesem Rauswurf nicht das Buch, sondern etwas anderes. Schon seit längerem war der Vorstand des IBM-Ringes mit dem Zauberleben von Patrick nicht einverstanden. Dem erhabenen, vornehmen Vorstand mißfiel es, daß Patrick seine Zauberkunst nahe­zu über­all präsentierte – siehe oben. Das Buch, in dem wertvolle Geheim­nis­se den Laien erklärt wurden, war nun ein willkommener Anlaß für einen Rauswurf. Aber schon nach 3 Jahren baten sie ihn, wieder einzutreten. Aller­dings taten es nicht dieselben Herren, die in rauswarfen, sondern es war Ali Bongo, dem man die Rolle eines Vermittlers zuschob. Kurz da­nach kam dann etwa die Hälfte des Vor­standes zu Pat, um sich zu entschuldigen. Sie hätten den Rauswurf gar nicht richtig mitbekommen. Sie seien während der Abstimmung auf der Toi­lette gewesen ... Das war in der Zeit von Jeffery Atkins und Bill Stickland. Wenn Pat heute daran zurückdenkt, schwingt kein Groll in seinen Erinnerungen. Für ihn ist das längst vorbei, und er kann nur noch darüber lachen, daß letzten Endes ihn eigentlich niemand hat aus dem Verein rauswerfen lassen. Patrick Page liebt die Zauberei über alles. Sollte er einmal nicht mehr zaubern, würde er gern Autor werden. Er hat bereits kleine Ge­schichten geschrieben und auch ein Thea­terstück, das in den 1970er für eine kurze Zeit in London aufgeführt worden ist, „One way ticket to Paradise“. Darin hat Patrick Page seine Erfahrung mit dem Showbusineß verarbeitet. Ein 3-Personen-Stück: Sänger, Manager, Se­kretärin. Die beiden versuchen in dem Stück, den Sänger zu überzeugen, Selbstmord zu be­gehen. Denn dadurch würde er weltberühmt und unsterblich werden. Zum Schluß gelingt es ihnen, und sie reiben sich genüßlich die Hän­de, da sie nun mit Neuauflagen der Songs so richtig „absahnen“ können.

Patrick Page kennt das Gewerbe und macht sich so seine Gedanken darüber. Aber er ist dabei stets zurückhaltend und vermeidet Streit und Ärger. Erst kürzlich besuchte er ein Se­minar eines kanadischen Kollegen, der unter an­derem den Effekt „Papier zu Geldschein“ erklärte. Eine Erfindung von Patrick Page aus den frühen 1960er Jahren. Der Kollege erkundigte sich, ob Patrick Page unter den Zu­schauern sei, und würdigte ihn auch als den Erfinder dieses wunderschönen Kunststückes. Anschließend verkaufte der Dozent eine DVD mit der Erklärung dazu. Patrick Page erhielt jedoch keinen Cent dafür. Er wurde noch nicht einmal um Erlaubnis gefragt. Patrick registrierte dies und ließ es geschehen. Er weiß ja, daß es sein Kunststück ist, dieses Wissen allein genügt ihm und gibt ihm Zufriedenheit.

In all den Jahren, in denen ich Patrick Page (seit 1965) immer wieder traf, zeigte er mir eine gleichbleibende Freundlichkeit und Gelassenheit.

Zum Schluß erlaubte ich mir noch die Frage, ob er mit seiner Zauberkunst reich geworden sei. „Not at all“, antwortet er spontan. Er zahle immer noch Miete für seine Wohnung. Aber er muß sich für den Rest seines Lebens keine finanziellen Sorgen machen. Es gehe ihm gut. Er genießt das Leben und hat noch eine Menge vor.


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